Anfangs, als das Internet noch Hoffnung gebar, konnte keiner damit rechnen, dass es um mehr geht, als ums Teilen, Beteiligen und ums Öffentlichmachen. Da glaubte man noch an die heilende Wirkung von Togetherness, lebte Freiheit und Toleranz in sich selbstorganisierenden Netzwerken, beispielsweise in der Welt der aufkommenden Weblogs. Niemand dachte daran, dass man daraus ein Riesengeschäft machen kann. Denn die Stimmung war unaufgeräumt, subversiv und … kreativ.
Wer hätte sich damals träumen lassen, dass man mit einer kleinen dummen Idee Milliardär werden kann. Wer hätte es je für möglich gehalten, dass ein Networkdienst einen milliarden Dollar schweren Börsengang an der Wallstreet hinlegt. Spätestens seit der Monopolist GOOGLE 10 Milliarden Dollar Gewinn erwirtschaftet, ist es mit der Goldgräberstimmung im Internet vorbei. Gold? Peanuts.
Die Zocker haben die Oberhand gewonnen. Es geht nur noch ums Wetten. An der Börse. Um das schnelle Geld, den schnellen Reichtum. Zu welchem Preis auch immer. Na ja, gut, den Preis regelt der freie Markt. Aber zu welchem emotionalen, menschlichen Preis auch immer. Jetzt also Facebook. Man hofft auf statten Gewinn. Aber ist Facebook wirklich so viel wert, wie es heißt? Stimmen die User-Zahlen? Ich glaube es nicht und schätzungsweise die nächsten zwei Jahre werden es zeigen.
Sie handeln mit Daten, deinen Daten, deinen privaten Daten. Die verkaufen sie, das ist ihre Währung. Damit kann die Werbeindustrie besser auf dich einwirken, heißt es.
Die SPIEGEL titelte kürzlich: 901 Millionen (Menschen) gefällt das (in Anspielung auf Facebooks LIKE-Button). Es hätte aber korrekt heißen müssen 901 Millionen minus 1 gefällt das. Das wäre dann ich gewesen. Die Zahlen, alle diese Zahlen, stammen von Facebook selbst. Vor Börsengang natürlich. Absurder kann es nicht sein. Das zeichnet aber den Hype im Internet – gerade sind die die “Social” Communitys – aus: Das alles unkritisch und tump geglaubt und für bahre Münze genommen wird. Züge des Religiösen sind das. Jedenfalls ist unklar, wie man zu den User-Zahlen kommt. Sind es Profile? E-Mail-Adressen? Namen? Seiten? Viele User haben zwei Profile, einige Seiten und mehrere Gruppen (gegründet). Dazu braucht es mehr als eine E-Mail-Adresse. Außerdem gibt es recht viele Kartei-Leichen. Normal. Die allermeisten User holen sich den Account und lassen ihn brach liegen. Oder schauen alle drei Wochen mal rein und stellen fest, dass sie das gar nicht interessiert. Nach meiner Meinung kann man mindestens ein Drittel von den gut 900 Millionen abziehen. Dann klingt das schon etwas anders, obwohl immer noch gigantisch.
In jedem Fall hat sich Facebook um SPAM sehr verdient gemacht. Ich weiß nicht, ob es dazu Zahlen gibt und wer die nicht veröffentlichen will, aber das Aufkommen von E-Mail-SPAM muss korrelieren mit dem Zuwachs an Usern bei dem Social-Networkdienst. Denn nicht nur INNERHALB von Facebook wirst du zugeschissen mit SPAM. Du bekommst plötzlich Mails aus irgendwelchen Schwachsinns-Gruppen, wirst zu hinderten blödsinnigen Events eingeladen (von denen einige ja ganz charmant sind), bekommst sogenannte Spieleanfragen zu unglaublich debilen Online-Games, wirst von Friends geadded, die vom Leben klar benachteiligt wurden und distutierst vollkommen sinnlos das Weltgeschehen auf den Facebook-Seiten der “Großen”, wie BILD, ZDF, MORGENPOST, SPIEGEL und wie sie alle heißen. Jeden Morgen gibt es massenhaft Einträge von professionellen Social Media Managern, die dich um deine Meinung beten. Mit einfachsten, plattesten Fragen verlocken sie dich dazu, deine unausgegorene Meinung zu irgendeinem Mist abzugegeben. Facebook-Kommentare eben.
Ist das nicht alles unglaublich kindisch?
Im Grunde sind es demnach zwei Währungen, die Facebook gegen harte Dollars eintauscht: Daten und Aufmerksamkeit.
Während an anderer Stelle auf der Erde um Demokratie und Freiheit gekämpft wird, wo Milliarden von Menschen ums nackte Überleben ringen und von Hunger bedroht sind, dreht sich der Westen nur um sich selbst. Es geht sogar soweit, dass man glaubt, andereswo auf diesen Planeten sind sie auch alle bei Facebook. Lieben auch sie den dämlichen Cyber-Käse und den täglichen Beschiss mit allerhand Verlockungen von kostenlosem Sex über schnelllen Reichtum, vom Ruhm eines Startups oder eines Youtube-Stars.
Und natürlich die kleinen und großen Betrugsversuche verdeckt operierenden kriminellen Vereinigungen und die mickrigen Kleinganoven, die im Schutze der Anonymität einen unendlichen Datenautobahn auf dicke Hose machen. Von den vielen Verschwörungen, illegalen Downloads und sexuellen Perversionen, die im Netz auf verschlungenen Pfaden in finsteren Nischen ihr Abnehmer finden, ganz zu schweigen. Wollen das nicht alle haben? Jeder Mensch? Überall auf der Welt?
Wollen nicht alle so leben wie wir hier … im und mit dem Cyberspace?
Klar Antwort: Nein.
Foto: DonkeyHotey
Veröffentlicht in: Netzgiganten